Familien berichten von ständigem Ausnahmezustand
In Wesseling berichten immer mehr Familien von unzuverlässiger Betreuung in Kitas. Auch ich bin davon betroffen. Unser Sohn besucht eine Einrichtung in der Stadt. An manchen Tagen erfahren wir erst am späten Nachmittag, ob die Gruppe am nächsten Tag geöffnet ist oder nicht. Mal fällt eine ganze Gruppe aus, mal wird nur bis 14 Uhr betreut. Arbeitszeiten müssen verschoben, Termine abgesagt, Pläne umgestellt werden. Das belastet nicht nur den Alltag, sondern auch das Vertrauen in das System. Und so wie uns geht es vielen Familien.
Beschwerde und Bürgerantrag an den Stadtrat
Die Eltern der städtischen Kita Schatzkiste haben deshalb eine formelle Beschwerde an den Stadtrat gerichtet. Darin schildern sie, dass die Einrichtung im Herbst fast nie im Normalbetrieb geöffnet war. Immer wieder wurden Gruppen geschlossen oder die Betreuungszeiten gekürzt. Eltern sprechen von einer Überlastung des Personals und davon, dass der Krankenstand dauerhaft hoch sei. Die Kommunikation wird als unzuverlässig empfunden. Benachrichtigungen kämen oft zu spät.
Im Rahmen der Beschwerde haben Eltern auch einen Bürgerantrag gemäß § 24 der Gemeindeordnung NRW eingereicht. Sie fordern, dass sich der Rat der Stadt Wesseling nicht nur mit der Betreuungssituation in der Kita Schatzkiste, sondern grundsätzlich mit der Personalsituation an städtischen Kitas beschäftigt. Aus ihrer Sicht reicht es nicht aus, die bestehenden Probleme lediglich zu verwalten. Es brauche konkrete Maßnahmen, etwa einen verlässlichen Personalpool, mehr Fachkräfte und bessere Kommunikation mit den Eltern.
Kritik am Personalschlüssel im Kinderbildungsgesetz
Die Eltern machen dabei deutlich, dass das Problem nicht nur in Wesseling liegt. Sie kritisieren, dass das Kinderbildungsgesetz des Landes NRW den tatsächlichen Personalbedarf zu niedrig ansetzt. Krankheits- und Urlaubsausfälle würden im System kaum berücksichtigt. Das führe dazu, dass viele Einrichtungen dauerhaft an der Belastungsgrenze arbeiteten – zulasten der Kinder, der Beschäftigten und der Eltern. Kindgerechte Betreuung sei so auf Dauer nicht möglich, heißt es in dem Schreiben.
Auch freie Träger sind betroffen
Doch das Problem betrifft nicht nur die Stadt als Träger. Auch bei freien Einrichtungen wie der Arche Noah der Diakonie Michaelshoven berichten Eltern von regelmäßigen Ausfällen. Auch dort müssen Familien spontan umplanen, weil die Betreuung nicht gesichert ist.
Stadt sieht sich an gesetzlichen Rahmen gebunden
Die Stadt Wesseling teilt auf Anfrage mit, dass man die Belastung der Eltern sehr ernst nehme. Die aktuelle Personalsituation sei in vielen Einrichtungen angespannt. Besonders kleine Kitas hätten kaum Möglichkeiten, krankheitsbedingte Ausfälle intern auszugleichen. Zwar betreibe die Stadt einen eigenen Springerpool für Vertretungsfälle, dieser sei aktuell jedoch vollständig im Einsatz. Eine Erweiterung des Pools sei in Vorbereitung. Zusätzliches Personal für die Schatzkiste sei ab Januar eingeplant.
Gleichzeitig verweist die Stadt auf die gesetzlichen Vorgaben. Das Kinderbildungsgesetz des Landes NRW schreibe genaue Personalschlüssel vor. Eine finanzierte Vertretung für kurzfristige Ausfälle sei dort nicht vorgesehen. Das bedeute: Auch wenn eine Kita formal voll besetzt sei, führe schon der Ausfall einzelner Kräfte zu Einschränkungen. Diese Situation betreffe viele Träger in ganz Nordrhein-Westfalen.
Qualifizierte Kräfte dürfen nicht als Fachkräfte arbeiten
Ein weiteres Problem liegt in der Definition, wer überhaupt als Fachkraft gilt. Staatlich geprüfte Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger, die seit vielen Jahren in Kitas arbeiten, werden laut Gesetz nur als Ergänzungskräfte eingestuft. Sie dürfen beispielsweise keine Gruppen alleine betreuen oder eine Einrichtung öffnen, selbst wenn sie täglich die gleiche pädagogische Arbeit leisten wie eine anerkannte Erzieherin. Aus Sicht vieler Eltern und Fachkräfte ist das nicht nachvollziehbar – zumal diese Personen oft viel Erfahrung mitbringen und im Alltag längst Verantwortung übernehmen. Dass vorhandenes Personal aus rechtlichen Gründen nicht als „ausreichend“ gilt, obwohl es tatsächlich im Einsatz ist, verschärft den Mangel zusätzlich.
Alltag unter Druck – Wunsch nach mehr Verlässlichkeit
Für betroffene Eltern ist das keine ausreichende Erklärung. In Gesprächen schildern sie, wie sehr die Situation ihren Alltag bestimmt. Viele fühlen sich mit den Problemen allein gelassen. Sie wünschen sich mehr Transparenz, bessere Kommunikation und vor allem: funktionierende Lösungen. Immer wieder wird die Frage laut, warum das System keine Reserven vorsieht, obwohl gerade in der kalten Jahreszeit mit höheren Ausfällen zu rechnen ist.
Was dabei auffällt: Die Kritik richtet sich nicht gegen die Erzieherinnen und Erzieher vor Ort. Im Gegenteil. Viele Eltern betonen, wie engagiert das Personal unter schwierigen Bedingungen arbeite. Die Frustration richtet sich gegen ein System, das den Alltag der Menschen nicht mehr ausreichend mitdenkt.
Ohne Reform in Düsseldorf wird sich wenig ändern
Die Stadt selbst macht deutlich, dass sie bei vielen Punkten nicht frei entscheiden kann. Die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen werden in Düsseldorf gesetzt. Eine Entlastung der Kitas könne nur durch eine Reform des Kinderbildungsgesetzes erreicht werden. Ohne zusätzliche Mittel und flexiblere Regeln werde sich die Lage in den Einrichtungen kaum verbessern lassen.
Ein persönlicher Wunsch zum Schluss
Als Vater wünsche ich mir vor allem Verlässlichkeit. Eine Kita, die zuverlässig geöffnet ist. Eine Betreuung, auf die sich Kinder und Eltern verlassen können. Und eine Politik, die die Realität in den Familien ernst nimmt.









